Würdest du morden, um dein Kind zu retten?

Als die erfolgreiche Herzchirurgin Anna Jones eines Abends nach Hause kommt, ist ihre Babysitterin tot, ihr kleiner Sohn verschwunden. Die Entführer stellen Anna vor die Wahl: Entweder lässt sie den beliebten Politiker Ahmed Shabir, der als der nächste Premierminister gehandelt wird, in zwei Tagen auf ihrem OP-Tisch sterben oder ihr Sohn wird sein Leben verlieren. Hippokratischer Eid oder Mutterliebe? Anna beginnt zu ahnen, dass sie in Wahrheit überhaupt keine Wahl hat ...

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Jack Jordan

Jack Jordan

Jack Jordan hat bereits einige Thriller veröffentlicht, die in Großbritannien, Kanada und Australien bei Amazon #-1-Bestseller waren. Sein Debüt in Deutschland Die Herzchirurgin - international in vielen verschiedenen Ländern veröffentlicht - hat eine große Leserschaft begeistert. Mit "Die Schlafwandlerin" legt der Meister der moralischen Dilemmata einen zweiten rasanten Thriller nach. Weitere Infos: Folgen Sie Jack Jordan auf Instagram: @jackjordan_author 

»›Die Herzchirurgin‹ hat mich vollkommen in den Bann gezogen ... Was für ein erschreckender Trip!«

Bestseller-Autorin Gilly Macmillan

Jack Jordan: Die Herzchirurgin
Leseprobe

Die Herzchirurgin

»Primum non nocere – Als Erstes keinen Schaden anrichten.«
– Hippokratischer Eid

»Ärzte unterliegen einem hohen Druck, psychisch zu erkranken […]. Daher überrascht es nicht sonderlich, dass unter Umständen bei denjenigen, die in unserem Berufsstand bis an die Spitze aufsteigen, einige der mit einer psychopathischen Persönlichkeit assoziierten Merkmale besonders ausgeprägt sind.«
– J. Pegrum, O. Pearce, The Royal College of Surgeons, August 2015

ANNA
Donnerstag, 4. April 2019, 16:32 Uhr

An meinem Hals ist Blut.
Nur ein einziger Tropfen, kaum größer als eine Sommersprosse. Ein geradezu winziges Detail, wenn man die gesamte Szene betrachtet. Vor mir liegt ein aufgeschnittener Mann mit blank liegenden Knochen, die schwarzen, teerbefleckten Lungenflügel auseinandergedrückt, um das Herz freizulegen. Und dennoch, trotz dieses dramatischen Anblicks drehen sich meine Gedanken um diesen kleinen Spritzer, der sich in meine Haut brennt.
Ich nehme das Skalpell von der linken Hand in die rechte und rolle mein Handgelenk, bis ich das befriedigende Knacken unter der Haut spüre.
Alle Augen sind auf mich gerichtet, schätzen die Ruhe meiner Hand im grellen Licht der OP-Leuchten ab. Auch unter ihren prüfenden Blicken bleiben meine Handflächen trocken und mein Griff ruhig und sicher. Doch unter meiner OP-Kluft schlägt mein Herz so heftig, dass ich es beinahe schmecken kann.
Peters Downings Herz hingegen liegt regungslos da.
Sein doppelter koronarer Bypass hatte vollkommen unkompliziert verlaufen sollen, bis es plötzlich anders kam. Nachdem ich mir den Weg durch seinen Brustkorb geschnitten und gesägt hatte, hatte ich versucht, aus einem Stück seiner Beinvene eine Umleitung für den blockierten Abschnitt der Aorta zu bauen, um wieder einen freien Blutzufluss zum Herzen zu ermöglichen. Als ich die Aortenklemme entfernte, um den Blutfluss wieder in Gang zu bringen, und die kaliumgesättigte Lösung wegspülte, die Peters Herz stillgelegt hatte, hätte es eigentlich aus seinem medizinisch induzierten Schlummer erwachen sollen.
Ich starre in seinen klaffenden Brustkorb und warte auf ein Zucken, eine Kontraktion, den ersten, lebensrettenden Ruck.

Nichts.
»Lunge aus, bitte.«
»Lunge aus«, wiederholt Dr. Burke.
»Zurück auf Maschine.«
»Zurück auf Maschine«, ruft Karin von der Perfusionsstation zurück.
Ich reiche meiner Assistentin das Skalpell und warte in der ohrenbetäubenden Stille. Als die Herz-Lungen-Maschine die Aufgabe des Herzens wieder übernommen hat, spüre ich, wie die Anspannung im Raum sich löst wie ein heißer, abgestandener Seufzer.
»Geben wir ihm noch eine Minute«, sage ich und klemme die Aorta erneut ab. »Das arme Ding ist wahrscheinlich vollkommen fertig.«
»Sind wir das nicht alle?«, witzelt Dr. Burke mit einem aufmunternden Zwinkern über seine Brille hinweg.
Eine mitfühlende Geste, aber wir wissen beide, dass ich hier auf mich allein gestellt bin. Bis zu diesem Punkt ist jede Operation ein Gemeinschaftswerk: Dr. Burke kümmert sich um die Medikation, die Beatmung und die Überwachung der Parameter; Karin kontrolliert die Herz-Lungen-Maschine, der Arzt am Fuß des Tisches entnimmt das Stück Beinvene für die Transplantation. Jeder Spezialist hat seine eigene Assistenz. Neben mir steht Margot, die mir Besteck und Tupfer anreicht. Aber wenn es ums Herz geht, liegt die Verantwortung allein bei mir.
Eine Hitzewelle versengt mir den Rücken, kribbelt mir über die Schulterblätter.
Konzentrier dich.
Ich mustere die Brusthöhle. Der Bypass ist gut gelungen, die Transplantate sind sauber gesetzt, mit luftdichten Verbindungen. Wir haben dem Herz Zeit gegeben, sich zu erholen, haben einen Medikamentencocktail verabreicht, um die elektrische Aktivität zu stimulieren, und haben auf metabolische Abweichungen von der Norm oder andere Probleme getestet, die wir eventuell übersehen haben könnten. Ich habe mein Werk wieder und wieder gecheckt und noch einmal versäubert, in der Hoffnung, auf einen Fehler zu stoßen, den ich beheben kann. Nichts hat funktioniert.
Ich werfe einen Blick auf die Uhr. Wir nähern uns rasch dem Ende des Vierstundenfensters, das wir haben, bevor das Herz unwiederbringlich Schaden nimmt. Sobald das verstrichen ist, wird jede weitere Sekunde zu einem Nagel am Sarg unseres Patienten.

Auf meiner Oberlippe kribbelt der Schweiß. Ich muss an den Rat denken, den mir mein Mentor einst gegeben hat:
Zeige niemals, dass du nervös bist. Wenn du in Panik gerätst, geraten sie ebenfalls in Panik. Du kannst ein Schiff nicht in den Hafen bringen, wenn die Mannschaft über Bord gesprungen ist.
Ich greife in die Brusthöhle und umschließe das Herz des Patienten mit der Hand, drücke es ein paarmal leicht zusammen und lasse wieder los, in dem Rhythmus, in dem es so lange geschlagen hat. Dann entlasse ich es sanft aus meinem Griff. Das Fleisch ist da, wo ich es berührt habe, rosig geworden und sieht beinahe hübsch aus, wie eine von der Kälte gerötete Wange.
»Versuchen wir es noch ein letztes Mal«, sage ich.
Langsam löse ich die Aortenklemme, verlängere das Leben des Patienten, so lange ich kann. Das Blut strömt in das Herz.
Nichts geschieht.
Wieder drücke ich das Herz, doch auch nachdem das Kalium ausgespült ist, fühlt es sich seltsam kalt an, feucht und glitschig.
Komm schon, Peter.
Meine Schultern verspannen sich, als ich mich über den Tisch beuge und meine ganze Kraft in die Bewegung lege, mit der ich das Herz massiere. Schweiß sammelt sich auf meinem Gesicht. Margot tupft jeden Tropfen schweigend ab.
Ich weiß nicht genau, wie viel Zeit vergangen ist – eine Minute, zehn –, doch als ich von der Brusthöhle aufblicke, am ganzen Körper schwitzend und hinter meiner Maske schwer atmend, wird mir klar, dass das gesamte Team mich mitfühlend ansieht. Da trifft es mich mit voller Wucht.
Dieses Herz wird nie wieder schlagen.
Stressschmerzen pulsieren hinter meinen Augen; die verspannten Muskeln in meinen Schultern krampfen. Ich blicke auf meine Hände hinunter, die von der Anstrengung schmerzen und zittern, und erlaube mir einen winzigen Seufzer.
»Herz aus, bitte.«

Karin nickt und wendet den Blick ab. Ein Mensch wird heute sterben, und wir werden seinen Tod orchestrieren. Ich mit dieser Anweisung. Sie, indem sie den Schalter umlegt.
»Herz aus«, bestätigt sie.
»Lunge aus, bitte.«
»Lunge aus«, antwortet Dr. Burke.
Und dann warten wir.
Die Herz-Lungen-Maschine kommt zum Stillstand. Die Schläuche leeren sich, während das Blut in das Kreislaufsystem des Patienten zurückfließt. Und dann das Unvermeidliche: die flache Linie eines reglosen Herzens auf dem EKG-Monitor. Das Schrillen des EKG-Alarms gellt durch uns alle hindurch, füllt den OP-Saal, hallt von den Apparaten wider, von den gefliesten Wänden und jeder Edelstahlfläche.
Ich sehe auf die Uhr.
»Zeitpunkt des Todes: 16 Uhr 53.«

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