Kommt herbei, hört die Geschichte

Karina hat alles verloren, nachdem ein Putsch sie ohne ihr Erbe zurückließ. Jetzt ist sie die meistgesuchte Person im Reich Sonande. Ihre einzige Hoffnung, das zurückzuholen, was ihr rechtmäßig zusteht, liegt in einer göttlichen Macht, verborgen in der Stadt ihrer Vorfahren.

Malik findet Zuflucht im Palast Zirans, und zum ersten Mal auch so etwas wie Geborgenheit. Doch die Welt versinkt im Chaos, und nur Karina kann das Gleichgewicht wiederherstellen. Als die Magie Sonandes zu zerreißen droht, stehen sich Malik und Karina erneut gegenüber. Aber wie kann man das Vertrauen von jemandem zurückgewinnen, den man einst zu töten versuchte?

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Leseprobe

A Psalm of Storms and Silence

Ihr seid also zurückgekommen, weil ihr eine weitere Geschichte über den Jungen und das Mädchen hören möchtet. Über die Prinzessin und den Geflüchteten, über die Zawenji und den Ulraji – ja, ich weiß, wie es mit ihnen weitergeht. Wir werden uns den beiden zu gegebener Zeit wieder widmen, versprochen.
Doch erlaubt mir, euch zuvor in eine Nacht mitzunehmen, die zwar nichts mit diesen beiden zu tun hat, dafür aber eine ganze Menge mit einem anderen Jungen, der seine Adoptivmutter zum ersten Mal schreien hörte …
Die erste Wehe erfasste die Sultanin von Ziran inmitten einer Ratsversammlung, und die Wesire waren so in ihre Debatte darüber vertieft, wie man das Getreide für die nahende Jahreszeit der Stürme zuteilen sollte, dass sie die Bedrängnis ihrer Herrscherin erst erkannten, als diese über dem Tisch zusammensackte
und ein nasser Fleck auf ihrem hellroten Kleid erblühte und es blutrot färbte.
Als die zweite Wehe kam, hatten die Hebammen des Palasts ihre Sultanin bereits sicher in den Geburtsraum gebracht. Bei der dritten waren alle sieben Hohepriesterinnen in Ksar Alahari eingetroffen und hielten ihre heiligen Kräuter und geweihten Öle bereit, um das neueste Mitglied der königlichen Familie mit
dem Segen der Gottheiten salben zu können.
Bei der vierten Wehe begannen die Schreie.

»Muss es sich so anhören, wenn man ein Baby bekommt?«, flüsterte die Tochter der Königin, als ein weiterer Klagelaut ihrer Mutter die Luft erfüllte. Da es nicht viel gab, was eine Achtjährige tun konnte, um bei der Geburt zu helfen, hatte man Prinzessin Hanane angewiesen, die Tür zu bewachen. Eine Aufgabe, die sie sehr ernst nahm und die ihr die Soldaten, die eigentlich die Tür bewachten, großzügig zuzugestehen vorgaben. Doch nun, nach mehreren Stunden, wich ihre aufgeregte Vorfreude auf ein Geschwisterchen der harschen Erkenntnis, was es tatsächlich bedeutete, ein neues Leben in die Welt zu bringen.
Die Prinzessin erschauerte, als leises Stöhnen, gefolgt von hektischem Geflüster, durch die Tür an ihre Ohren drang. »Es hört sich an, als würde sie sterben.«
»So klingt niemand, der gerade stirbt«, antwortete der Gefährte der Prinzessin. Farid, das Mündel der Königin, folgte Hanane wie ihr zweiter Schatten überallhin, und er gab häufig solche unheilvoll klingenden Bemerkungen von sich. Er war so, seit er vor fast einem Jahr nach Ksar Alahari gekommen war, nachdem er als Einziger einen Straßenräuberangriff überlebt hatte, der seine Eltern, die Diplomaten gewesen waren, das Leben gekostet hatte. Selbst jetzt noch sprach er mit gedämpfter Stimme, in der fast keinerlei Gefühlsregungen mitschwangen, und seine Augen wirkten tiefer und dunkler, als sie es bei einem Zehnjährigen sein sollten.
Farids Blick wanderte von Hananes besorgter Miene zum Himmel jenseits des Balkons. Dicke schwarze Wolken, durch die weiße Blitze zuckten, ballten sich am Horizont zusammen, was ungewöhnlich für diese Jahreszeit war. »Ich weiß das.«
Ein weiterer Schrei zerriss die Stille, und Hananes Augen wurden groß. Nach mehreren quälend langen Minuten öffnete sich endlich die Tür. Doch nicht ihre silberhaarige Mutter mit einem kreischenden Baby erschien dort, sondern nur der König.
»Baba!« Hanane eilte zu ihrem Vater, wie immer dicht gefolgt von Farid. »Ist es geschafft? Ist mein kleiner Bruder da?«
»Noch nicht«, seufzte der König und rieb sich die rot geränderten Augen. »Außerdem wissen wir noch gar nicht, ob es ein Junge wird. Vielleicht bekommst du ja auch eine Schwester.«
»Es ist ein Junge, das weiß ich einfach«, verkündete sie, und angesichts ihrer kindlichen Prahlerei lachte der König zum ersten Mal seit Tagen. Allerdings verklang sein Lachen, als die Schreie der Sultanin wieder einsetzten. Hananes Unterlippe bebte, und ihr Blick huschte zwischen ihrem Vater und der Tür des Geburtsraums hin und her.

»E-Es ist doch alles gut mit den beiden, oder?«, fragte sie. Die Geister jener Babys, die nicht überlebt hatten, schienen zwischen ihnen in der Luft zu schweben. Wenn auch dieses nicht leben durfte, dann wären es vier Geschwister, die es nie aus dem Mutterleib geschafft hatten. Nur Farid kannte die geheimen Namen, die Hanane jedem von ihnen gegeben hatte, denn für ihre Eltern war es zu schmerzhaft, darüber zu sprechen.
»Natürlich ist es das«, antwortete der König, und er meinte es auch so, denn das, was von seinem Herzen noch übrig war, weigerte sich, etwas anderes auch nur in Betracht zu ziehen. Ein greller Blitz zerriss den Himmel, gefolgt von tiefem Donnergrollen, das wie Trommelschläge klang. Zweifellos waren die Akolythen im Tempel des Windes völlig aufgelöst und versuchten in heller Panik zu enträtseln, was Santrofie, Sohn des Windes und Schutzgottheit der Windausgerichteten, ihnen damit sagen wollte.
Der König sah zu den Gewitterwolken auf und murmelte etwas, das zu leise war, als dass die Kinder es hätten verstehen können. Dann ließ er sich auf die Knie sinken, ohne auf die verwirrten Blicke der Wachsoldaten zu achten, die nicht fassen konnten, dass er sich so erniedrigte, und öffnete die Arme. Sowohl Farid als auch Hanane schmiegten sich dankbar an ihn, obwohl sie sich einem Alter näherten, in dem sie sich für solchen Trost schon zu erwachsen fühlten. »Deine Mutter hat schon viel Schlimmeres überlebt. Sie wird auch das hier überleben, und dann habt ihr beide ein neues kleines Baby zum Spielen.«
Farid mischte sich tröstend ein. »Und auch, wenn du nicht mit dem Baby spielen kannst, wirst du immer mich haben.«
Hanane lächelte dem Jungen zu. »Das stimmt. Dich werde ich immer haben.«

Eine leise Unruhe erfasste den König, als er sah, wie sein Mündel bei diesen Worten zu strahlen begann, doch er schob dieses Gefühl fort. Als Farid nach Ksar Alahari gekommen war, hatte er mehr mit einem Gespenst gemein gehabt als mit einem Jungen. Er hatte sich so sehr in sich selbst zurückgezogen, dass man sich stundenlang mit ihm in einem Raum aufhalten konnte, ohne ihn auch nur zu bemerken. Die Tatsache, dass es Hanane gelungen war, ihn aus seinem Schneckenhaus zu locken, war ein Grund zum Feiern. Außerdem, war es nicht das, was sich alle Eltern wünschten? Dass sich ihre Kinder so nahestanden wie diese beiden?
Der König wollte etwas dazu sagen, doch die lauten Stimmen der Hebammen, die hektisch seinen Namen riefen, schnitten ihm das Wort ab. Er sprang auf und eilte in den Geburtsraum, und das Letzte, was die Prinzessin sah, bevor die Tür ins Schloss fiel, waren ein Wirbel aus Bewegung, das schweißbedeckte Gesicht ihrer Mutter und mehrere Haufen blutgetränkter Tücher. Hanane begann zu zittern, doch als Farid die Hand ausstreckte, um sie zu trösten, stieß sie ihn fort und faltete die Hände zum Gebet. Sie war eine Sonnenausgerichtete, also betete sie zu ihrer Schutzgottheit Gyata der Löwin. Sie betete darum, dass ihr neues Geschwisterchen – vorzugsweise ein Bruder – glücklich und gesund sein und immer mit ihr spielen wollen würde, auch wenn sie ihre Spielsachen oder Süßigkeiten nicht mit ihm teilen mochte.
Die Priesterinnen hatten ihr beigebracht, dass die Gottheiten jene belohnten, die für ihre Bitten auch Opfer zu bringen bereit waren, also fügte die Prinzessin noch an: »Ich werde alles tun, was du willst, einfach alles, wenn du das Kind nur leben lässt.«

Kaum hatte sie das letzte Wort ausgesprochen, als das bisher lauteste Donnerkrachen die Alabasterwände um sie herum erzittern ließ. Die Prinzessin riss die Augen auf, und da sah sie es: Für den Bruchteil eines Moments, kürzer, als ein Schmetterling braucht, um abzuheben, oder ein Todgeweihter, um seinen letzten Atem auszuhauchen, schwebten die Regentropfen wie Tausende kleine Perlen in der Luft. Hanane rief nach Farid, damit er es sich ansah, doch als er aufblickte, prasselten die Tropfen schon wieder zu Boden.

Jahre später würde dieser Abend nur zu einer weiteren verschwommenen Erinnerung an die Kindheitstage der jungen Prinzessin werden. Doch in diesem Moment wusste sie mit einer Gewissheit, die so stark war wie ein Berg und so weit wie das Meer, dass sie mit den Gottheiten gesprochen hatte und dass diese ihr geantwortet hatten – denn nicht einmal eine Minute später erfüllte das unverwechselbare Schreien eines Neugeborenen den Palast, und alle Gedanken an Versprechungen und an Gottheiten, die sich irgendwann holen würden, was ihnen zustand, waren vergessen, als Hanane losrannte, um ihre Schwester kennenzulernen.

Karina, die geflohene Prinzessin. Verraten und gejagt.

Malik, in der Geborgenheit eines gefundenen Zuhauses. 

Roseanne A. Brown: A Psalm of Storms and Silence. Die Magie von Solstasia
Roseanne A. Brown

Roseanne A. Brown

Roseanne A. Brown wurde in Kumasi, Ghana, geboren und wanderte als Kind nach Maryland aus. Das Schreiben war ihre erste Liebe, und sie wusste von klein auf, dass sie die Kraft des Schreibens nutzen wollte, um die verschiedenen Kulturen, die sie ihr Zuhause nennt, zu verbinden. Ihr Debütroman »A Song of Wraiths and Ruin« war auf Anhieb ein New York Times-Bestseller, ein Indie-Bestseller und wurde mit sechs Sternen ausgezeichnet. Sie arbeitet unter anderem mit Marvel, Star Wars und Disney zusammen. Rosie lebt derzeit außerhalb von Washington D.C., wo sie in ihrer Freizeit meist in den Wäldern wandert, Memes erstellt oder über Star Wars nachdenkt.

Der erste Band der Solstasia-Dilogie

A Song of Wraiths and Ruin. Die Spiele von Solstasia

Sie braucht sein Herz für ein magisches Ritual – er ihren Tod für das Leben seiner Schwester:

Der New-York-Times-Bestseller »A Song Of Wraiths And Ruin« von der aus Ghana stammenden Autorin Roseanne A. Brown führt uns in eine westafrikanisch inspirierte Fantasywelt, die auf allen Ebenen begeistert: mythisch, romantisch und modern!

Alle fünfzig Jahre findet im Königreich Sonande das berühmte Solstasia-Turnier statt, bei dem alle Nationen des Reiches zusammenkommen, um dem Wettstreit der Champions beizuwohnen. Doch für die junge Königin Karina geht es um viel mehr: Um ihre Mutter wiederbeleben zu können, braucht sie das Herz eines Königs. Daher bietet Karina dem Gewinner des Festes ihre Hand an…

Zur gleichen Zeit kommt Malik mit seinen beiden Schwestern in die Hauptstadt Ziran, voller Hoffnung auf ein neues Leben fern von Krieg und Gewalt. Malik freut sich auf die Festlichkeiten rund um Solstasia – bis ein rachsüchtiger Geist seine kleine Schwester Nadia entführt und einen furchtbaren Preis für ihr Leben verlangt: den Tod von Königin Karina. Für Malik gibt es nur eine Chance, Karina nahe genug zu kommen, um sie zu töten: Er muss das Solstasia-Turnier gewinnen …

Der Auftakt einer spannenden, von westafrikanischer Folklore inspirierten Fantasy-Dilogie, in der eine trauernde Kronprinzessin und ein verzweifelter Geflüchteter ihre Ziele nur erreichen können, indem sie einander töten. Dieser New-York-Times-Bestseller ist perfekt für Fans von Tomi Adeyemi, Renée Ahdieh und Sabaa Tahir.

 

»Ein explosives, atemberaubendes Fantasy-Debüt […] Vor allem aber nutzt Brown eine üppige Fantasy-Kulisse, um auf ergreifende Weise Probleme der realen Welt zu diskutieren.« Booklist

»Eine actiongeladene Geschichte über Ungerechtigkeit, Magie und Romantik, die den Leser in eine spannende Welt eintauchen lässt, die ›Children of Blood and Bones‹ in nichts nachsteht.« Publishers Weekly, Eine antirassistische Kinder- und Jugendbuch-Leseliste

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»Ich habe Fantasy schon immer geliebt, aber nicht immer hat sie mich auch geliebt.«

Roseanne A. Brown

Roseanne A. Brown: A Song of Wraiths and Ruin

 

 

»Meine Familie stammt aus Ghana, und in unserer Kultur gibt es eine starke Tradition des mündlichen Erzählens. Daher war es mir wichtig, dass sich ASOWAR wie eine Geschichte anfühlt, die den Lesenden erzählt wird. Aber auch im Magiesystem kommt die Kultur und Folklore zum Tragen. Bei den Akan in Ghana hat der Wochentag, an dem eine Person geboren wird, eine große Bedeutung. Er kann sogar über einen der eigenen Namen entscheiden. Das habe ich übernommen und so erweitert, dass der Wochentag, an dem eine Person geboren wird, über ihre Magie entscheidet. Auf diese Weise konnte ich eine Hommage an unsere Tradition schreiben, sie aber auch zu meiner eigenen machen.»

 

Roseanne A. Brown über A Song of Wraiths and Ruin

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