Die tragische Geschichte eines Idols

Tim Bergling war ein musikalisches Ausnahmetalent und prägte mit seinen Melodien eine Ära, in der schwedische und europäische House Music die Welt eroberte. Doch zugleich war er ein zurückgezogener und verletzlicher junger Mann, der mit unmenschlicher Geschwindigkeit erwachsen werden musste. Nach mehreren Zusammenbrüchen und Krankenhausaufenthalten folgte 2016 das überraschende Tour-Aus – und kaum zwei Jahre später nahm Tim sich das Leben. Für »Tim. Die offizielle Avicii-Biografie« führte der vielfach ausgezeichnete Journalist Måns Mosesson Gespräche mit seiner Familie, seinen Freunden und seinen Kollegen im Musikgeschäft. Sein Buch ist ein ergreifendes Porträt, das Tims unbändigen Antrieb ebenso beleuchtet, wie die dunkelsten Seiten seines Lebens.

Tim

Bestseller
Gebundene Ausgabe 25,00 €
E-Book 21,99 €

Der Investigativjournalist Måns Mosesson wurde für seine Arbeit vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Stora Journalistpriset, dem Medien-Preis Ikarospriset und dem International Prix Italia. Er produzierte Dokumentationen für den schwedischen Rundfunk und arbeitet als Reporter für die größte schwedische Tageszeitung Dagens Nyheter.

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Zum Autor

Avicii, wie ihn die Welt noch nie gesehen hat

Leseprobe

Die offizielle Avicii-Biografie

Abends kamen die Kaninchen aus dem Gebüsch. Grau und zerzaust, als hätten sie zwischen den Pinien eine Schlacht geschlagen. Es dauerte nicht lange, bis ein Turmfalke reglos über ihnen am Himmel schwebte, seine Flügel gegen den Wind ausbreitete und auf den richtigen Moment wartete, um auf seine Opfer hinabzustoßen.
Er sah so viel von hier oben.
Der Duft von Knoblauch und Rosmarin stieg zu ihm herauf – der Koch hatte wohl angefangen, das Abendessen zuzubereiten – und verband sich mit einem Hauch von den Zitronenbäumen unten im Wäldchen.
Der Sprinkler, der am Pool die Palmlilien duschte, gab ein friedliches Rauschen von sich.
Drei Wochen waren vergangen, und Tim Bergling hatte begonnen, seine Umgebung wieder wahrzunehmen. Er saß auf dem Dach des Klinikgebäudes, das Pflegepersonal hatte ihm geholfen, einen Liegestuhl auf die roten Ziegelplatten hochzustemmen. Im Dunst draußen über dem Mittelmeer ahnte er in der Ferne die Insel, zu der die Leute die Fähre nahmen, um zu schnorcheln und ihren Kater zu vergessen, bevor sie die ersten Pillen des Abends einwarfen und wieder von vorn anfingen.
Aber jetzt war hier Herbst. Die Party-Touristen waren nach Hause geflogen, das Privilege, das Space und das Pacha hatten die Saison beendet und waren geschlossen, sogar die Grillen waren verstummt.

Der Sommer 2015 war in einem einzigen dunklen Nebel vorbeigezogen, das erkannte er jetzt. Er hatte in der weißen Villa an der Südspitze von Ibiza gesessen und Stress gehabt, weil die Stücke nicht schwer genug gemixt waren und weil die Plattenfirma wollte, dass er nach London flöge, um Interviews zu geben.
Stories war als Nachfolgealbum für das erste gedacht, das Tim Bergling vor zwei Jahren von einem in den Clubs gefeierten DJ zu einem globalen Pop-Phänomen gemacht hatte. Die Platte war ein Jahr verspätet gewesen, und Tim hatte Probleme gehabt, sich zu fokussieren.
Es war lange her, dass sein Körper funktioniert hatte, wie er sollte. Und im letzten Jahr, nach der Operation im Krankenhaus, hatte er gefühlt, wie wieder etwas in seinem Bauch wuchs. Tim war besessen gewesen von diesem Klumpen. Je mehr er daran dachte, desto deutlicher fühlte er ihn. Wie einen Tumor, der es sich gutgehen ließ. Und während dies Unbekannte da drinnen größer geworden war, hatte er auf den Festivals des Sommers in ganz Europa gespielt und jeden Sonntag das Ushuaïa gefüllt, den protzigsten House-Club von Ibiza.
Als er am Nachmittag nach dem letzten Auftritt der Saison aufwachte, war er überzeugt gewesen, dass er nach Hause fliegen würde, nach Los Angeles.
Stattdessen waren sie alle im Erdgeschoss der Villa versammelt gewesen. Sein Vater Klas war da, sein Manager Arash war mit dem Flugzeug aus Stockholm gekommen, ebenso sein großer Bruder David. Der Tourneemanager, der Bodygard. Und natürlich die Kumpels, die Freunde seit seiner Kindheit, die ihn seit ein paar Jahren begleiteten, wohin er auch fuhr.
Sie hatten ihm erklärt, welche Sorgen sie sich machten. Dass sie es satthatten, Tag für Tag zu lügen, wenn sie gefragt wurden, wie es sei, für Avicii zu arbeiten. Geweint hatten sie, sie waren am Boden zerstört gewesen.
Schließlich hatte Tim sich bereit erklärt, in die Klinik zu gehen, hauptsächlich, um ihr ewiges Gejammer loszuwerden, dass er unzuverlässig und schlampig geworden sei.
An den ersten Tagen, während der einleitenden Entwöhnung, hatte er hauptsächlich geschlafen. Aber dann hatte Paul Tanner, der die Behandlung leitete, ihm geraten, zu schreiben.

Meine erste Erinnerung ist, dass ich mit meiner Mutter ein Bad nehme, oder wenn sie mir ein Wiegenlied singt, oder mein Vater, der hereinkommt und die alten Kassetten mit Märchen von der A-Seite auf die B-Seite wendet, während ich versuche einzuschlafen.

Die Wörter kamen mit scharfen Kanten. Er hatte so lange in der Betäubung des weichen Selbstbetrugs gelebt, dass es ihm zuerst zuwider war. Aber er sah den Sinn ein – die Erlebnisse in Worte zu fassen, machte es leichter, über sie zu sprechen, half ihm, eine Sicht auf das Leben einzunehmen, das ihn hierhergebracht hatte, an diesen Ort im September 2015.
Wenn die Sätze erst einmal kamen, fiel es ihm schwer, ein Ende zu finden. Statt zu schlafen, saß er am Computer und schrieb die Nächte hindurch. Er erzählte von seiner Kindheit und Jugend, von seinen Geschwistern, wie er die Musik entdeckt hatte und wie seine Karriere Fahrt aufnahm. Er schrieb über die komplizierte Beziehung zu seinem Manager Arash und die Zeit mit seinen Freundinnen Emily und Racquel.
An den Nachmittagen fanden lange Gespräche mit dem behandelnden Arzt statt. Sie diskutierten über Begriffe wie Überlebensstrategie und Verdrängung. Tim analysierte die neuen Informationen systematisch, wie er es immer getan hatte.
Er erkannte jetzt, wie viel er verdrängt hatte. Er hatte sich selbst so lange vorwärts gezwungen, dass es alltäglich geworden war.
Plötzlich sah er die Dinge radikal anders. Auch die anstrengenden Gefühle, die er eigentlich nicht haben wollte, mit denen er sich seit der Kindheit herumgeschlagen hatte – die Nervosität, die Rastlosigkeit, die Angst –, vielleicht hatten sie auch ihr Gutes? Er begann, an sie zu denken wie an einen Kompass, ein Instrument, das ihm helfen konnte, eine neue Richtung einzuschlagen.

Das Gefühl als solches kann eine positive oder negative Energie haben, aber kein Gefühl ist vorsätzlich negativ.

Er hatte schon so lange Grenzen überschritten, im Schmerz gelebt. Dem physischen in seinem Bauch, aber auch dem psychischen. Er war nicht nur gegen die Wand gelaufen, er war hindurchgekracht, mehrmals. Er hatte sich im Grenzland des Todes bewegt, so fühlte es sich wirklich an.
Er wünschte, er hätte früher zugehört.

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