Die Geschichte um Jacob und die besonderen Kinder geht weiter

Ein zerbrechlicher Friede.
Eine düstere Prophezeiung.
Und das Chaos wartet im Herzen des Sturms …

Auf dem Totenbett beauftragt der geheimnisvolle H – Jacobs letzte Verbindung zu seinem geliebten Großvater Abe – Jacob mit einer unmöglichen Mission: Er soll die Besondere Noor Pradesh zu einer geheimnisvollen Verbündeten namens V bringen, von der Jacob nur den Namen kennt. Noor steht im Mittelpunkt einer uralten Prophezeiung, die den Untergang aller Besonderen vorhersagt. Sie wird von mächtigen Gegnern gejagt und die wenigen Hinweise, die Jacob zu V führen sollen, sind mehr als verwirrend. Gefangen zwischen alten Feinden und einer neuen Bedrohung, wird die Zeit knapp für Jacob und seine Freunde …

Der fünfte Band der erfolgreichen Reihe rund um Jacob Portman und die besonderen Kinder.
 

Leseprobe

Das Vermächtnis der besonderen Kinder

Tief in den grünlich schimmernden Gedärmen eines Fischmarktes in Chinatown befanden wir uns am Ende eines Flurs, der mit Krebsbecken gesäumt war. Wir hockten, belauert von Tausenden Alien-Augen, in einer von der Lichtesserin erzeugten Blase der Dunkelheit. Leos Männer waren ganz in der Nähe, und sie waren wütend. Wir hörten Geschrei und ein heftiges Krachen, als sie auf der Suche nach uns den Markt auseinandernahmen. »Bitte«, hörte ich eine alte Frau weinend sagen, »ich habe niemanden gesehen ...«

Wir hatten zu spät erkannt, dass dieser Flur keinen Hinterausgang besaß, und waren nun neben dem Abflussrohr in dem schmalen Spalt zwischen Massen todgeweihter Krebstiere gefangen, deren Aquarien als schiefe Türme zu zehnt übereinander bis an die Decke gestapelt waren. Neben dem Krachen und Geschrei ertönte der unaufhörliche Rhythmus der leise gegen die Glaswände trommelnden Krebsscheren, wie ein Orchester kaputter Schreibmaschinen, das sich in meinen Schädel wühlte.

Wenigstens überdeckte es das Geräusch unseres panischen, abgehackten Atmens. Vielleicht genügte das – vorausgesetzt, Noors künstliche Dunkelheit hielt stand und die Männer, die sich mit schweren Schritten näherten, schauten nicht zu genau auf die wogende Leere mit den zuckenden Rändern; eine Auslassung in der Luft, eine unübersehbare Lücke, wenn man den Blick darauf ruhen ließ. Noor hatte die Dunkelheit geschaffen, indem sie mit der Hand durch die uns umgebende Luft fuhr, während sich an ihren Fingerspitzen das Licht sammelte wie leuchtende Glasur auf einem Kuchen. Sie stopfte es sich in den Mund und schluckte. Glühend rann es durch ihre Kehle hinab und verschwand.

Es war Noor, die sie wollten. Aber mich hätten sie auch zu gern mitgenommen, und wenn es nur war, um mich zu erschießen. Mittlerweile mussten sie H tot in seiner Wohnung gefunden haben, seine Augen aus den Höhlen gerissen von seinem eigenen Hollowgast. Früher an jenem Tag hatten H und sein Hollow Noor aus Leos Zeitschleife befreit. Dabei kamen ein paar von Leos Leuten zu Schaden. Das wäre vielleicht noch verzeihlich gewesen, aber etwas anderes nicht: Leo Burnham, Oberhaupt des Five-Boroughs-Clans, war gedemütigt worden.

Eine Wildkatze – also Besondere, die noch keinem Clan angehören, sondern frei und schutzlos leben –, auf die Leo Anspruch erhob, war aus seinem eigenen Haus gestohlen worden, dem Machtzentrum des Herrschaftsbereichs eines Besonderen, das fast den gesamten östlichen Teil der Vereinigten Staaten umfasste. Wenn ich dabei entdeckt wurde, dass ich Noor zur Flucht verhalf, wäre mein Todesurteil endgültig besiegelt.

Leos Männer kamen immer näher, und ihre Stimmen wurden lauter. Noor kümmerte sich um die Dunkelheit, straffte die Ränder zwischen Finger und Daumen, wenn sie zu verschmieren begann, füllte das Zentrum, wenn es ausdünnte.

Ich wünschte, ich hätte ihr Gesicht sehen können. Den Ausdruck darin lesen. Ich wollte wissen, was sie dachte, wie sie sich hielt. Es war nur schwer vorstellbar, wie jemand, der noch so neu war in dieser Welt, all das ertrug, ohne zusammenzubrechen. In den vergangenen paar Tagen war sie von Normalen mit Betäubungspfeilen und in Hubschraubern gejagt worden, von einem Besonderen-Hypnotiseur entführt worden, um bei einer Auktion versteigert zu werden, konnte entkommen, nur um von Leo Burnhams Bande geschnappt zu werden. Sie hatte ein paar Tage in einer Zelle in Leos Hauptquartier verbracht, war dann bei ihrer Flucht mit H durch Schlafstaub in Tiefschlaf versetzt worden und erst in Hs Wohnung wieder aufgewacht, wo sie ihn tot auf dem Boden vorfand – der grauenvolle Anblick hatte aus ihrem Mund einen Feuerball konzentrierten Lichts schießen lassen (der mich beinahe meinen Kopf kostete).

Sobald sie sich von dem Schrecken erholt hatte, erzählte ich ihr, was H mir mit seinen letzten Atemzügen anvertraut hatte: dass es nur noch einen lebenden Hollow-Töter gebe, eine Frau namens V, und ich Noor ihrem Schutz überstellen solle. Die einzigen Hinweise auf ihren Aufenthaltsort waren eine zerfledderte Landkarte aus Hs Wandsafe sowie bruchstückhafte Anweisungen von Hs grausigem Ex-Hollowgast, Horatio.

Aber ich hatte Noor noch nicht erzählt, warum H so hart gekämpft hatte, ihr zu helfen, warum er meine Freunde und mich als Unterstützung gewonnen hatte und schließlich den Tod fand, als er sie aus Leos Zeitschleife befreite. Ich hatte ihr nichts von der Prophezeiung gesagt. Es war kaum Zeit gewesen – seit ich Leos Leute in dem Flur vor Hs Wohnung gehört hatte, rannten wir quasi um unser Leben. Und die ganze Zeit fragte ich mich, ob es nicht zu viel war, zu früh.

Eine der sieben, deren Kommen vorausgesagt war ... die Befreier der Besonderenwelt ... der Anbruch des gefährlichen Zeitalters ...

Es musste sich anhören wie das irre Gefasel des verrückten Anhängers irgendeines Kults. Nach all dem, was die Besonderenwelt bereits von Noors Gutgläubigkeit verlangt hatte – ganz zu schweigen von ihrer Zurechnungsfähigkeit –, fürchtete ich, dass sie schreiend davonlaufen würde. Jeder halbwegs normale Mensch hätte das schon längst getan.

Natürlich war Noor Pradesh alles andere als normal. Sie war besonders. Mehr noch, sie hatte Mut. In dem Moment neigte sie mir den Kopf zu und flüsterte: »Also, wenn wir hier rauskommen ... wie ist der Plan? Wohin gehen wir?«

»Raus aus New York«, antwortete ich.

Nach einer kurzen Pause fragte sie: »Wie?«

»Keine Ahnung. Mit dem Zug? Bus?« Darüber hatte ich noch gar nicht nachgedacht.

»Oh«, erwiderte sie mit einem Anflug von Enttäuschung in der Stimme. »Du kannst uns nicht, irgendwie, von hier wegzaubern? Mit einem von deinen Zeit-Tor-Dingern?«

»So funktionieren die nicht. Na ja, ich denke, ein paar von denen schon« – ich dachte an Verbindungen zum Panloopticon –, »aber wir müssen erst einen Übergang finden.«

»Was ist mit deinen Freunden? Hast du keine ... Leute?«

Ihre Frage machte mich mutlos. »Sie wissen nicht einmal, dass ich hier bin.«

Und selbst wenn sie es wüssten ..., schoss mir durch den Kopf.

Ich spürte, dass Noor die Schultern hängen ließ.

»Keine Sorge«, versicherte ich. »Mir fällt schon etwas ein.«

Zu jeder anderen Zeit wäre mein Plan ganz einfach gewesen: Losziehen und meine Freunde finden. Ich wünschte verzweifelt, dass ich das könnte. Sie wüssten, was zu tun wäre. Seit ich in diese Welt eingetreten war, waren sie mein Fels in der Brandung, und ohne sie fühlte ich mich verloren. Aber H hatte mich ausdrücklich davor gewarnt, Noor zu den Ymbrynen zu bringen. Davon abgesehen wusste ich gar nicht, ob ich überhaupt noch Freunde hatte – so wie bisher bestimmt nicht. Was H getan hatte und was ich gerade tat, zerstörte vermutlich die Chance der Ymbrynen, zwischen den Clans Frieden zu stiften. Und es hatte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dem Vertrauen meiner Freunde in mich geschadet.

 

Die Reihe über die besonderen Kinder im Überblick

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