Dauerhaft schlank sein – ohne große Anstrengung
Das Motto der Sprechstunde für Adipositas-Medizin des bekannten TV-Arztes Dr. med. Carsten Lekutat ist »Iss nicht weniger, iss das Richtige«. Aus seiner Sicht ergibt es keinen Sinn, die Lebensqualität mit einer Aneinanderreihung von erfolglosen und anstrengenden Diäten zu zerstören. Es braucht viel mehr ein individuell abgestimmtes Konzept, das uns lebenslang begleitet. Denn Abnehmen ist eigentlich einfach, wenn man weiß, wie. Das Gewicht zu halten ist die Herausforderung.
Dr. Lekutat erläutert die medizinischen Ursachen von Übergewicht, die man für sich erkennen muss. Er zeigt ganz konkret, wie Abnehmen mit schlauer Gewichtskontrolle dauerhaft gelingt.
Fragen an Dr. Lekutat
Was wollen Sie den Leser*innen mit auf den Weg geben?
Sie sind nicht schuld! Viele Menschen mit Übergewicht bekommen immer wieder von ihrer Umgebung gesagt, dass sie sich einfach mal zusammenreißen sollen, dann würde es mit dem Abnehmen schon funktionieren. Weniger Essen, mehr Sport machen – und schon sind die Kilos weg. Aber so einfach ist das nicht. Häufig spielen ganz andere Faktoren der Gewichtsregulation eine Rolle, die wir nicht einfach mit Willenskraft lenken können und an denen wir nicht selber schuld sind.
Macht Stress dick?
Nicht automatisch, einige Menschen macht Stress sogar schlank. Aber es stimmt schon, dass Stress ein schleichendes Gift ist und weitreichende Veränderungen in unserem Stoffwechsel und Hormonsystem hervorruft. Und bei einigen Menschen führt das zu einer Gewichtszunahme, bei der es sogar besonders schwierig ist, wieder abzunehmen.
Kann man den Jojo-Effekt vermeiden?
Der Jojo-Effekt ist ein sehr sinnvoller Mechanismus unseres Körpers, damit wir bei Nahrungsknappheit nicht verhungern. Er ist quasi ein Notfallprogramm. Das macht es auch so schwer, ihn zu umgehen, weil es eigentlich ein Kampf gegen unsere Natur ist. Aber glücklicherweise gibt es Möglichketen, trotz Jojo-Effekt dauerhaft Gewicht zu reduzieren. Bei „Schlank für Faule“ benutzen wir dafür zum Beispiel die Methode der Rutsche und der Plateaus. Aber mehr dazu im Buch.
Schlank für Faule
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1. Warum auch ein Gesundmacher ein Dickmacher sein kann
Alles war bis in das letzte Detail liebevoll geplant. Das kleine Café in der Altstadt war gemietet, die Einladungsschreiben waren verschickt. Etwas aufgeregt rückte ich die letzten Gläser und Teller zurecht, mit denen die Tische bereits gedeckt waren. Ich nestelte etwas an meinem Hemd herum, das im Brustbereich ein wenig auftrug. Für Guido, den Besitzer des Cafés, war es ein Abend wie viele andere, für mich allerdings sollte es etwas ganz Besonderes werden.
Es war ein Montagabend, die frische Januarluft schaffte nicht den Weg in die hinterste Ecke des Cafés, in der ich saß und auf den großen Fernsehbildschirm an der Wand schaute. Gleich würde ich als Fernseharzt meinen großen Auftritt bekommen, das erste Mal im Westdeutschen Rundfunk als » GESUNDMACHER« zu sehen sein. Nachdem ich über viele Jahre im Deutschen Privatfernsehen eher ein Schattendasein gefristet hatte und eher die lustige medizinische Randfigur im Frühstücksfernsehen von Sat.1 war, könnte das mein großer Durchbruch werden. Hatten Harald Schmidt und Eckart von Hirschhausen nicht auch so angefangen? Ich lehnte mich selbstgefällig zurück und zuppelte an meinem Hemd.
Langsam füllte sich das Café mit meinen Freunden, Kollegen und Geschäftspartnern, die ich eigens für die Fernsehpremiere eingeladen hatte. Wir wollten ein »Public Viewing« veranstalten, noch ehe das Wort »Public Viewing« in Deutschland überhaupt bekannt war. Wir begrüßten uns weltmännisch mit Küsschen links und Küsschen rechts, wie man das im Fernsehen so macht, und starrten bei Limonade, Wein und Bier auf den Fernseher.
Um 20 : 15 Uhr ging es los. Primetime! DER GESUNDMACHER. Ein sympathischer Arzt (ich) sollte gesundes Verhalten (das, was ich so über das Leben denke) nach Deutschland (also eigentlich Nordrhein-Westfalen) bringen, indem er (also ich) durch die Städte und Dörfer geht, in Kühlschränke schaut (»Da ist aber zu wenig Brokkoli drin«) oder in die Schlafzimmer der Nation (»Die Matratze ist zu weich, davon bekommen Sie Rückenschmerzen«).
Um 20 : 15 Uhr startete die Titelmusik der Sendung. Bilder von gesunden Menschen, gepflegten Häusern, zauberhaften Landschaften und mir, dem GESUNDMACHER, der sich lächelnd in die Kamera dreht und Zuversicht, Fitness und – ja – Gesundheit verkörpern soll.
Um 20 : 16 Uhr sah ich es zum ersten Mal: Ach du Scheiße, Carsten, du bist fett!
Es war mir wirklich vorher nicht aufgefallen, aber scheinbar hatte ich über die Jahre hinweg einige Kilos zugelegt. Ich schaute mich vorsichtig um, was meine Gäste zu dem dicken GESUNDMACHER sagen würden. Aber alle schauten nur voller Stolz auf den Fernseher und verfolgten den dicklichen Fernseharzt auf seiner Runde durch NRW.
Wie konnte das sein? Waren die anderen alle blind? Oder besoffen? Oder wussten es alle anderen schon vor der Ausstrahlung der Sendung, hatten es mir aber nie gesagt? Okay, ich gehe ja auch nicht durch die Welt und sage zu dicken Mitmenschen: »Hallo, du bist aber ganz schön moppelig.« Das macht man nicht, auch wenn man sich das im Geheimen denkt. Aber das waren meine Freunde, meine Kollegen.
Ich sah mich im Café um. Einige meiner Freunde hatten auch das ein oder andere Kilo zu viel auf der Hüfte, und auch ihnen hatte ich das nie gesagt. Es störte mich auch nicht, es passte zu ihrer Persönlichkeit.
Als Kind der 80er – so sehe ich mich zumindest, auch wenn ich 1971 geboren bin – bin ich quasi groß geworden mit den Daytime-Talkshows der 1990er-Jahre. Es war eine Zeit, in der zum ersten Mal Menschen, die keine Stars waren, im Fernsehen Gehör fanden, wenn sie nur schrill und laut genug waren. Jeder, der eine »Message« hatte, konnte auf die Bühne. Und eine der wiederkehrenden Meinungen war: »Ich bin dick. Das ist aber egal, Hauptsache, ich finde mich großartig dabei.«
Am Anfang glaubte ich das den Menschen bei Türck und Ilona Christen auch. Adipöse in illustrer Runde tanzten regelmäßig im Nachmittagsprogramm über die Bühnen der Flimmerkisten, in entweder zu enger Kleidung oder in weite Tücher gehüllt, und riefen: »Ich fühle mich wohl, also lasst mich so sein, wie ich will.« Und was konnte man schon dagegen sagen? Wohlfühlen ist wichtig. Zu sich selbst stehen ebenfalls. Ein kleiner Zweifel an diesem Wohlfühlen und daran, dass Dicksein gut für die Menschen sein soll, kam mir als Arzt damals allerdings schon in den Hinterkopf. Aber der Zweifel war leise und die tanzenden Menschen laut und so stimmte ich ein in den Kanon, der da hieß: »An all ihr Intoleranten da draußen: Lasst uns doch einfach so sein, wie wir sind!«
Vielleicht hatten mich das Fernsehen der 1990er und mein tiefer Wunsch, ein toleranter Gutmensch zu sein, so geprägt, dass ich es nicht einmal meinen Freunden sagen konnte, wenn sie langsam an Gewicht zunahmen. Und auch meine Freunde konnten oder wollten es mir anscheinend nicht sagen. Sie wollten mich so sein lassen, wie ich war, in der Annahme, dass ich es gut fand, so zu sein. Dass ich aber nicht einmal bemerkt hatte, wie es um meine Fettpölsterchen stand, konnten sie sich wahrscheinlich nicht vorstellen. Wie auch? Ich wusste es ja selbst nicht einmal.
Gut, im Nachhinein erinnerte ich mich schon daran, dass ich eines Morgens unter der Dusche stand, zu meinen Füßen herunterblickte und meine Zehen nicht mehr sehen konnte. Sie waren weg, verdeckt von meinem Bauch. Aber dieses Problem war einfach zu lösen: Ich beugte mich ein wenig ins Hohlkreuz und zog meinen Bauch ein, und da waren sie wieder, meine Füße in ihrer gesamten Länge. Wie ein spanischer Torero stand ich unter der Dusche, den Bauch eingezogen, die Brust herausgestreckt, und ignorierte stolz die einfache Information, die mir dieser Morgen eigentlich so eindeutig präsentierte: Du bist fett!
Als sich mein Gürtel eines Tages etwas enger anfühlte als früher, suchte ich nicht etwa das nächste Loch, um ihn weiter zu stellen. Nein! Für uns Männer gibt es eine verblüffend einfache Lösung des Gürtelproblems: Man zieht ihn einfach etwas herunter, bis er sich unterhalb des Bauch-Äquators befindet. Und schon passt er wieder wie angegossen. Das hält über Jahre, denn unterhalb des Bauches nehmen nur Frauen zu, dachte ich mir, nicht wir Männer. Und wenn der Gürtel noch passt, dann kann ich doch nicht dick sein!
In einer Zeitschrift las ich einmal von dem sogenannten Schwabbeltest. Man sollte vor einem Spiegel nackt in die Luft springen und sich selbst nach der Landung beobachten. Was nach einigen Sekunden noch schwabbelt und nicht ein primäres oder sekundäres Geschlechtsorgan ist, gehört nicht an den schlanken Körper. Glücklicherweise sind wir Menschen in der Lage, abstrakt zu denken und in einem gewissen Rahmen auch unsere eigene Zukunft zu antizipieren. Ich entschied mich daher damals, nicht nackt zu hüpfen. Schon gar nicht vor einem Spiegel. Auch nicht allein. Auch nicht im Dunklen. Wahrscheinlich war mir klar, dass es bei mir sehr lange schwabbeln würde.
All diese kleinen Dinge hätten mir schon früher die Augen öffnen sollen, wie es um meine Fettdepots und meinen ehemaligen Adoniskörper bestellt war.
Er war nicht mehr da, der Adonis.
Aber meine Augen wurden mir erst an diesem Montagabend im Café geöffnet, als ich mich selbst schonungslos im 16 : 9-HD-Format im Fernsehen sah. HD ist was für Tierfilme! Wenn man Backenhörnchen sehen möchte. Und selbst Nilpferde sehen in HD super aus. Aber nicht der GESUNDMACHER! Doch der Blick von außen hatte auch etwas Erhellendes. Ich musste etwas tun. In dieser Form würde ich die erste Staffel des GESUNDMACHERS nicht überstehen. Peter Zwegat ist auch nicht hoch verschuldet und Martin Rütter läuft auch nicht laut rufend »Platz! Platz! Manno! Platz, sag ich!« durch die Straßen hinter seinem Hund her. Mir war klar: Der GESUNDMACHER durfte nicht kränker aussehen als seine Patienten. An diesem Abend im Januar traf ich also eine Entscheidung: Das Fett muss weg – ich will wieder schlank sein!
Aber wenn das bloß so einfach wäre.